
18.10.21
Nun bricht für mich die letzte Woche hier an. Ich habe für mich beschlossen einfach das zu tun was gerade anliegt, ohne das ich mir selber den Stress mache irgendwas zum Abschluss zu bringen. Es gibt so viele Hindernisse da ist ein Scheitern vorprogrammiert und dadurch wird es auch unnötig hektisch. Außerdem kommen immer wieder neue Anfragen hinzu wo ich entscheiden muss was jetzt gerade wichtiger ist. Reinhold und Martina tun alles dafür das ich mich hier wohl fühle. So macht das Arbeiten Spaß und man ist auch effektiver. In dieser Woche werde ich anfangen das Badezimmer im Keller mit Vorwandelementen so fertig zu bekommen das Reinhold die Verkleidung und das verputzen der Wände machen kann wenn die Feuchtigkeit aus den Wänden raus ist. Die Trockner laufen immer noch ununterbrochen. Im Obergeschoß muss noch ein Raum entrümpelt werden wo noch Dinge lagern die sie versucht haben zu retten aber es hat keinen Zweck. Jetzt kam dann doch die Entscheidung das alles auf dem Müll landet. Bei dieser Aktion viel mir eine verschlammte alte Truhe in die Hände, sie stammte aus Annelieses Besitz (die Mutter von Martina, die ihr Haus aufgeben musste). Sie war kaput, voller Schlamm und schäbig aber irgendwie hatte sie mich gefesselt. Ich schob sie von einer Ecke in die andere und konnte mich nicht dazu durchringen sie auf den Müll zu werfen. Als Martina mit ihrer Mutter auf die Baustelle kamen fragte ich ob sie wirklich weg soll. Sie sagten „ja klar was sollen wir mit dem schäbigen Ding denn noch anfangen? Wenn du sie haben willst dann nimm sie mit“.

Die werde ich als Andenken mit nach Hause nehmen und versuchen sie wieder schick zu bekommen. Vorher schleife ich den Deckel vorsichtig sauber damit die wichtigsten Leute, mit denen ich hier zu tun hatte, darauf unterschreiben können. Ich freu mich total und als Anneliese das mitbekommt ist sie so glücklich darüber, das sie mir damit so eine Freude machen kann. Aber sie ist sehr skeptisch.
Am Nachmittag kommt dann der Schwiegersohn rüber und fragt ob ich für ihn auch mal Zeit einplanen könnte. Wir reden kurz und merken sofort das wir einen Draht zueinander haben. Irgendetwas ist da zwischen uns was nicht greifbar ist. Ich möchte aber erstmal das fertig machen wo ich gerade bei bin, und sage das ich später rüber komme wenn ich hier fertig bin.


Das Haus von Jens und Ramona steht am Ende der Straße , 3 Grundstücke vom Elternhaus entfernt den Berg hoch. Hier haben sie sich alle hin gerettet und versucht zu überleben.
Ich gehe hoch zu Jens damit wir absprechen können was er gemacht haben will. Es sieht bei ihm ganz anders aus als in allen anderen Häusern. Hier ist der Wiederaufbau schon im vollem Gange. Wir machen eine Baubesprechung und dabei wird klar was da zwischen uns ist. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit ,das selbe Alter und er war lange Zeit dort stationiert was meine Frau und ich als Heimat bezeichnen. Im Nachbarort sozusagen. 700km entfernt von hier.
Ein Zimmermann ist dabei die Wände neu aufzubauen, Jens hat sofort, nachdem das Wasser und der Schlamm aus dem Haus war, die Wände geöffnet um die durchtränkte Einblasdämmung dort raus zu holen und dann die Trockner laufen lassen. Dadurch konnte er jetzt schon anfangen mit dem Wiederaufbau. Sie sind beide mit ihren Kindern, Eltern und der Oma in einer Notunterkunft untergebracht und wollen so schnell wie möglich wieder in ihr Haus. Meine Hilfe braucht er nun im Gästebad, Küche und Waschküche. Das werde ich dann nebenbei auch noch mitmachen, wird irgendwie gehen.






So sah es dort bei ihnen aus nachdem das Wasser weg war.
20.10.21
Gestern wurde das Wetter immer schlechter, der Wetterbericht warnte vor Sturm. Wir haben uns für den Nachmittag mit anderen Helfern zusammengeschlossen um Zelte und Abfallstellen zu sichern. Als ich morgens zur Baustelle kam war mein erster Gang in den Keller um die Trockner leer zu machen. Zufällig kam ich mit dem Arm an die Starkstromleitung und wusste nicht so recht ob ich eine Wärme gespürt habe, ich fasste nochmal richtig an und verbrannte mir fast die Hand. Jetzt muss da ganz dringend ein Elektriker gefunden werden der eine neue Leitung anklemmt. Ich besorge beim Versorgungscamp eine Leitung und Stecker , Reinhold hat dann einen Elektriker organisiert. Zum Mittag ist das erledigt und wir können alle Trockner wieder in Betrieb nehmen. In der Nacht wurde es dann sehr stürmisch. Ich wurde um 03:30 Uhr von dem Lärm auf der Straße geweckt. Absperrungen kippten auf die Straße Mülltonnen wurden umgeschmissen und die Straße entlang gepustet und Bauzäune fielen scheppernd auf die Seite. Als ich um 6 dann zur Baustelle wollte fuhr ich an mehreren Dixiklos vorbei die durch den Sturm umgeschmissen wurden. Dann kam ich zum Versorgungszelt und da sah es nicht viel besser aus. Das alte Zelt lag halb zusammengebrochen da und im neuen Großen hatten sich die Seitenwände gelöst und so konnte der Wind richtig Unordnung machen. Auch hier lagen die DIXIs auf der Seite.




Der Vormittag war mit Aufräumen vollgepackt und dann konnte ich endlich wieder zur Baustelle. Reinhold war schon da und hatte einen Freund mit dabei der ihm immer mal wieder hilft wenn es seine Zeit erlaubt. Sie stemmen Schlitze für die Elektroinstallation und bereiten alles was sie können für den Elektriker vor der in den nächsten Tagen herkommt. Martina hat sich um meine Materialbestellung gekümmert und so kann ich gleich zu Jens und Ramona rüber um dort anzufangen. Da sich hier die Heizung auf dem Dachboden befindet , wurde sie nicht zerstört. Ich werde erst einmal die Wasserleitungen wieder flicken und soweit vorbereiten das der Zimmermann die Wände gleich wieder schließen kann. Jens hat schon das Vorwandelement für das WC besorgt, so das ich sofort anbauen kann wenn die Wand wieder zu ist.

Das ist die Ecke wo die Küche hin gehört. Im Haus sind alle Innenwände bis zur Wasserkannte weg und werden neu gesetzt.



Es geht hier alles richtig schnell voran. Sie möchten gerne zu Weihnachten wieder im Haus sein und um das vorweg zu nehmen, sie schaffen es tatsächlich.



21.10.21


Heute ist ein Tag wo ich mich mal um meine Truhe kümmern kann, sie muss transportsicher gemacht werden. Viel kann man ihr nicht mehr zumuten, sonst zerfällt sie in Einzelteile. Bisschen sauber machen und verschrauben sowie den Deckel zur Beschriftung vorbereiten. Dabei entdecke ich die Handmalerei die ursprünglich diese Truhe verzierte und nun durch Alter und Dreck so gut wie verschwunden ist. Ich will versuchen das wieder hervor zu holen, was nicht so einfach wird. Gegen Mittag ruft mich Reinhold nach draußen. Da ist jemand für dich sagt er. Die Frau bei der ich den ersten Einsatz gestartet habe ist hergekommen um sich nochmal zu bedanken und mich zu verabschieden. Sie hat für mich einen Präsentkorb fertig gemacht und übergibt ihn mir und bittet mich, einen Dank an die mit zu nehmen die mich hier im Hintergrund mit unterstützt haben. Alle wissen, das wenn jemand hier hilft, eine Menge Leute einem den Rücken freihalten damit man überhaupt hier sein kann. Für diese Leute kommt der Dank immer etwas zu kurz, aber fast jeder der sich in den Tage bei mir bedankte fügte den Satz „und deine Helfer“ hinzu.

22./23.10.21
Meine Zeit hier neigt sich dem Ende entgegen. Es gibt noch einige Sachen die ich heute so hinkriegen möchte, so das der Nächste da ohne große Probleme weitermachen kann wenn ich nicht mehr zur Verfügung stehe. Reinhold war noch unterwegs und hat mir eine Stiege Wein besorgt. Als Dankeschön für mich und meine Frau. Es wäre unmöglich wenn ich das Ahrtal ohne eine Flasche Wein verlassen würde. Das war eine Geste die mich total gerührt hat, denn als er mir die Kiste gab sagte er natürlich auch etwas dazu und wurde sehr emotional. Ich beschloss für mich das ich heute meinen letzten Tag hier arbeite. Morgen werde ich mich hier nur verabschieden und gegen Mittag in Richtung Heimat aufbrechen. Das bedeutet das ich meine Werkzeuge so bereitstelle das ich morgen hier nur noch mein Auto beladen muss und dann los fahre.
Als Reinhold abends in sein Quartier fährt Räume ich seine Baustelle in der Wohnstube auf. Ich möchte es so herrichten das wir uns hinsetzen und gemeinsam hier frühstücken können. Seid 3 Monaten ist hier kein Tisch , kein Stuhl und kein Leben möglich.

Im Versorgungscamp habe ich gesehen das dort Malerflies liegt. Da hole ich mir eine Rolle und lege den Fußboden damit aus. Einen Gartentisch hab ich bei Jens gesehen und Gartenstühle waren auch noch irgendwo. Als ich damit fertig bin ist es auch schon wieder fast 22 Uhr. Die Helfercamp´ianer kommen jetzt noch kurz hier vorbei um auf dem Deckel zu unterschreiben. Danach schleppen sie mich mit zu ihrer Unterkunft wo noch gegrillt wurde und so wurde es sehr spät. Na egal , morgen geht es nach Hause und ich freu mich drauf.
Nach kurzer Nacht entscheide ich mich um , ich werde meine Sachen zusammenpacken und alles soweit vorbereiten das ich gegen Mittag wieder im Hotel bin, mich noch für ein paar Stunden schlafen lege und dann in der Nacht nach Hause fahre. Ich hole Brötchen von der Tankstelle und den Rest vom Versorgungszelt. Die Frauen kommen gerade an und ich helfe kurz dabei die mitgebrachten Sachen auszuladen. Nebenbei erzähle ich ihnen was ich heute vor habe und sie machen sich daran mir einen Beutel mit allen Möglichen Sachen voll zu packen. Butter, Milch, Wurst, Obst … , sogar Servietten und Besteck. sie denken wirklich an alles. Ich bin überwältigt wie sehr diese Frauen Begeisterung entwickeln und mein Vorhaben unterstützen. Jetzt muss ich mich aber sputen sonst kommen Martina, Anneliese und Reinhold noch vor mir zur Baustelle und die Überraschung ist hin.
Der Tisch ist gedeckt und insgesamt bin ich selber überrascht wie es ein kleines bisschen gemütlich hier aussieht, als die Tür aufgeht. “ Oh Gott, was ist denn hier los?“ und in diesem Moment wurden die Augen feucht. Für mich die Gewissheit alles richtig gemacht zu haben. Wir setzten uns hin und hatten ein sehr langes Frühstück. Und alle wollten heute nur hier einfach sitzen bleiben und den Moment genießen.

Gegen 11 kam Jens und fragte ob ich noch Zeit hätte, ob ich nicht noch die Toilette anschließen könnte. Ok , egal das mach ich dann noch schnell bevor ich dann fahre. Wie es immer so ist, mit schnell war da nichts. Ich machte mich dann an die Arbeit und die Zeit verging. Als ich Werkzeug holen musste, was ich bei Reinhold schon verpackt stehen hatte, war plötzlich das Wohnzimmer voll mit Menschen. Freunde die vorbeikamen und weil es gerade so gemütlich war länger blieben. Sie erzählten, lachten und man spürte diese Freude bei ihnen das sie hier um den Tisch sitzen und klönen konnten. Das was in den vergangenen Monaten überhaupt nicht möglich war. Das mit anzusehen war die größte Freude für mich, denn ich wusste das dies nur durch meine Aktion entstehen konnte. Später sagten sie mir das ich mir überhaupt nicht vorstellen kann wie gut das getan hat und wie Dankbar sie dafür sind.
Als ich bei Jens fertig war standen die Zeiger der Uhr schon auf 20 Uhr und jetzt musste ich mich verabschieden. Schnell das Auto beladen , das Geschirr zum Zelt zurückbringen und auch bei den anderen Helfern wollte ich nicht ohne Auf Wiedersehen verschwinden. So wurde es nur eine 2h Ruhepause bevor ich mich auf den Weg machte.

Ich bin wieder zu Hause. Heil, übermüdet und völlig ausgebrannt aber morgen muss ich wieder funktionieren, da wartet der Alltag mit Arbeit und Familie. Die Verarbeitung des Ganzen wird noch Wochen dauern und anfangen werde ich damit beim aufarbeiten der Truhe.
Danke an Alle die meinen Einsatz im Ahrtal unterstützt haben. Ohne Euer Dazutun wären mir bei vielen Dingen einfach die Hände gebunden gewesen und ich hätte nicht so viel bewegen können. Am letzten Tag kamen viele Menschen auf mich zu die sich bedankten obwohl ich sie nicht kannte, aber alle wussten was ich für sie am Versorgungszelt gemacht habe.

Hallo Stefan, hab grad mal wieder kurz hier vorbeigeschaut und einiges gelesen. Nun ist ja dein 2.Einsatz schon wieder rum.Vielen Dank, dass Du das machst und noch dazu die Gabe des Schreibens hast, so dass das Ahrtal für uns ein Gesicht bekommt, sehr berührend. Du bist echt ein Segen, also sei gesegnet. Lg Katrin
Vielen Dank, richtig ist das die erste Woche hinter mir liegt. 3 Wochen habe ich noch vor mir. Leider habe ich es noch nicht geschafft weiter zu schreiben aber es freut mich das es Menschen wie dich gibt, die Anteil daran nehmen und mir ein Feedback geben.