Ich habe in der ersten Nacht geschlafen wie ein Stein, es ist 5 Uhr und die Glocke der Kirchenuhr von Altenahr holt mich zurück in die Wirklichkeit. Meine Aufgabe für die folgenden Tage sind soweit klar und die Arbeit kann beginnen. Erstmal einen Kaffee und dann auf die Terrasse, wo ich hin und wieder Internet habe. Auch eines der vielen Probleme in dieser schlimmen Situation.

Ich habe jetzt einen groben Plan von den Arbeiten die erledigt werden müssen und kann sofort los legen. Auf Nachbarn oder Anwohner muss ich keine Rücksicht nehmen, hier kann gerade niemand wohnen. Eine Situation an die man sich auch erst gewöhnen muss. 06:00 Uhr und der Ort ist menschenleer, eine richtige Geisterstadt bzw. Dorf. Ab 08:00 Uhr wird es immer geschäftiger weil so langsam immer mehr Trupps von freiwilligen Helfern eintreffen. Viele kommen mit dem Helfer-shuttle direkt an die einzelnen Einsatzorte.
Auf meiner Baustelle werde ich damit weiter machen die Wasserleitungen, Abflüsse und Heizungsleitungen samt Heizkörpern zu demontieren. Die Badezimmer und Küchen auf zwei Ebenen sind durch eine sehr dünne Wand getrennt, so das ich sehr behutsam sein muss beim Rückbau um den Fliesenspiegel in den Küchen zu erhalten. Ein ausdrücklicher Wunsch der Eigentümer. Das wird mich in den folgenden Tagen auf eine harte Probe stellen, aber es hat alles geklappt.

Es ist still als ich ankomme, wirklich still, irgendwo piept ein verirrter Vogel ansonsten hört man nichts. Das Tal ist eingebettet in eine Dunstglocke aus Staub und Gestank. Jede Bewegung die ich mache erzeugt einen Lärm der mir innerlich schon unangenehm wird, weil die Gedanken mitschwingen jemanden in seiner Ruhe zu stören. Aber hier ist ja niemand und das begreift man erst sehr schwer. Im Haus laufen die Trockner und alles liegt noch so wie ich es am Abend zuvor verlassen habe. An den Türen hängt ein Zettel mit dem Hinweis, die Fliesen in den Küchen unbedingt heil zu lassen. Das stellt mich vor Probleme da die Zwischenwände sehr dünn sind und dort die Leitungen raus müssen. Abflussleitung aus Gussrohr und eine 1cm starke Putzschicht trennen an der Stelle Küche und Bad. Da kann ich nicht mit Stemmgerät oder Vorschlaghammer ran, also in mühevoller Kleinarbeit versuchen alles vorsichtig zurück zu bauen. Im Normalfall hätte man wohl gesagt das geht nicht aber hier muss es gehen. Die Menschen haben alles verloren und nun gibt es einen besonderen Wunsch etwas zu erhalten was noch da ist, da beiße ich mich dann eben so gut es geht durch. Und nur eine Fliese ist gebrochen am Ende.
Ich gehe mal mit meiner Kaffeetasse vor die Tür um dem Dröhnen der Trockner kurz zu entkommen und bemerke wie in der Straße überall Helfer an den Häusern sind. Aus den Fensteröffnungen wabern Staubwolken und überall rattern Stemmgeräte. Plötzlich ist hier eine Geschäftigkeit wie in einem Ameisenhaufen. Wird man gesehen winkt man sich zu. Alle sind gleich verdreckt, verschwitzt und gezeichnet von der schweren Arbeit und dennoch Blickt man in glückliche Gesichter. Es ist egal wen man sieht, Jung oder Alt, Arm oder Wohlhabend, einfacher Arbeiter oder Politiker. Völlig egal, hier sind gerade alle gleich und alle sind genau dafür hergekommen was sie gerade tun. Darum blickt man bei all dem Scheiß hier in glückliche Gesichter.
Beim Müll rausbringen sehe ich Trupps von Helfern die Straße lang gehen in Richtung Versorgungszelt. Mittagszeit – ich lass alles stehen und reihe mich in diesen Tross einfach mit ein. Auf dem Weg zum Zelt rede ich mit einem Mädel und erfahre das fast alle vom Helfershuttle hier hergebracht wurden und schon an mehreren Orten in den vergangenen Tagen im Einsatz waren. Ich könne da ruhig auch mal hin kommen und das was da los ist miterleben. Am Versorgungszelt wird Essen ausgegeben an alle die sich dort einfinden. Organisiert von Freiwilligen und Hilfsorganisationen aber wie das vonstatten geht und was für Probleme im Hintergrund gelöst werden müssen, davon habe ich zu jetzigen Zeitpunkt keinen Schimmer.
Es setzen sich 3 Leute zu mir und fragen mich ob ich der Klempner bin der für 3 Wochen hier sein wird. Ich bin erstaunt wie schnell das die Runde gemacht hat und frage ob sie mich brauchen. Es sind Anwohner und nein sie brauchen mich nicht, aber sie wollen einfach nur Danke sagen das ich hier bin. Ihr Haus ist nicht mehr da, und sie beginnen mir ihre Geschichte zu erzählen. Da ich von der zweiten Woche nach der Flut dann regelmäßig Videos und Berichte gesehen habe war mir das was sie mir erzählten schon bekannt. Es gab über ihre Rettung einen Fernsehbeitrag, aber ohne die schlimmen Einzelheiten. Es ist etwas anderes einen Beitrag zu sehen und das selbe von Angesicht zu Angesicht berichtet zu bekommen. Die Augen, das zittern in der Stimme, die Emotionen und die Hilflosigkeit schnüren einem regelrecht den Hals zu. Diese Situation wird mir in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder begegnen. Ich habe in meinem ganzen Leben nie so viele Tränen, insbesondere bei Männern, gesehen und vergossen wie hier im Oktober 21. Man kann sich dem nur schwer entziehen, und das ist auch gut so. Eine Schule für`s Leben, in jeder Hinsicht.
Nun aber weiter bei der Baustelle, der Anfang ist gemacht und das erste Bad ist im Rohbauzustand. nun geht es in die untere Etage. Dort nochmal genau das Selbe.


Es ist wieder spät geworden und seit Stunden gleicht der Straßenzug einer Geistersiedlung. Wieder allein, wieder rundum alles duster. Ich hab Hunger und packe mein Werkzeug ein. Ein Auto schleicht durch die Straße und bleibt stehen ohne das sich was tut. Ich kann nichts erkennen da das Licht mich blendet, sofort kreisen die Gedanken …, aber es ist tatsächlich nur eine Polizeistreife die kontrollieren wollen ob alles in Ordnung ist. Auch wir werden uns noch täglich begegnen, und gegenseitig grüßen wenn es passiert. Beim Versorgungszelt gibt es immer noch die Möglichkeit was Essbares zu finden. Es ist 22 Uhr und Artur macht für alle späten Helfer noch richtig was zu Essen fertig. Es gibt so etwas wie einen festen Helfertrupp, Leute die von Anfang an hier waren und blieben. Sie bauten eine Versorgungsstation und ein Baustoffzelt auf. Auch für diese Helfer gab es keine festen Arbeitszeiten, meist auch von früh bis spät in die Nacht. Und Artur kümmert sich um die Versorgung wenn der große Helferstrom das Dorf wieder verlassen hat. Danke Artur
Jetzt schnell unter die Dusche und schlafen. Leider war das Gas alle so das die Dusche wieder nur kalt ausfiel. Das ist absolut kein Vergnügen, stelle ich mit Gänsehaut fest.



05.10.21

Heute fahre ich gleich zum Versorgungszelt und hole mir was für`s Frühstück bevor ich auf der Baustelle weiter mache. Die Frauen, von der Stephanusgemeinde, die sich seit Monaten um die Frühstücksversorgung für alle Altenburger und den Helfern kümmern, sind auch schon angekommen und bereiten fleißig wie jeden Tag alles vor. Schmieren Brötchen, schneiden den selbstgebackenen und gespendeten Kuchen auf und kochen Kaffee, jede Menge Kaffee. Da ich der erste Helfer heute bin haben wir auch mal Zeit für ein kleines Gespräch. Unter ihnen ist eine Frau die mithilft aber gar nicht zu dieser Gemeinde gehört. An ihrer Sprache merke ich das auch sie aus dem Norden des Landes kommen muss und so kommen wir ins Gespräch. Sie ist aus Hamburg und hat sich auch einfach zum Helfen hierher auf den Weg gemacht. Sie kam mit jemanden nach Altenburg der einen Foodcontainer geliefert hat , den Artur von irgendwo her besorgen konnte. Dieser muss noch mit Wasser, Abwasser und Strom angeschlossen werden, was dann irgendwie auch auf meiner To Do Liste gelandet ist. Dazu komm ich dann später. Erstmal fahre ich jetzt zur Baustelle und mache dort weiter.
Es ist heute deutlich ruhiger in der Straße, am Ende in einem Haus wird noch gearbeitet ansonsten ist nirgends Bewegung, das bekomme ich gerade nur mit weil ich mich für eine Pause auf die Treppe setze und die wärmenden Sonnenstrahlen genießen möchte bevor mich der Dreck wieder verschlingt. Es kommt eine Frau auf mich zu die mich fragt ob es mir gut geht und ob alles in Ordnung ist. Etwas merkwürdig, weil sie nicht locker lässt mit ihren Fragen. So kommen wir ins Gespräch und ich merke das sie mich als Betroffenen und nicht als freiwilligen Helfer gesehen hat. Sie dachte es sei mein zu Hause was hier zerstört steht. Sie ist auch als Helferin hier her gekommen und hat was schlimmes erlebt in einem der Orte im Ahrtal. Sie kam in ihrem Urlaub um mit an zu packen und lernte jemanden kennen der in seinen Trümmern saß und verzweifelt den Schlamm aus dem Haus schleppte. Sie wollte am nächsten Tag mit anpacken und ihm dabei helfen. Sie erzählte mir das sie zu spät kam, er wollte nicht mehr weiter leben, man hatte sein Kind gefunden. Diese Sache konnte sie nicht mehr los werden und hat es sich danach zur Aufgabe gemacht Menschen die verloren aussehen, zumindest nicht allein zu lassen. In wie weit diese Geschichte stimmt kann ich nicht sagen. Im Nachhinein kann ich dazu nirgends einen Bericht finden. Trotz allem hat diese Begegnung für eine ganze Weile meine Gedanken bestimmt zumal man täglich mit anderen furchtbaren Geschichten konfrontiert wurde die passiert sind.
Nun werde ich erstmal zum Mittag ins Versorgungszelt fahren und danach dann hier weiter machen mit der Demontage. Das dort die nächste Katastrophe lauert ist mir noch nicht bewusst. Nachdem die Hilfe nach der Flut angelaufen ist wurde die Grundversorgung durch das DRK gemacht. Für die Wasserversorgung wurden IBC Tanks aufgestellt wo frisches Trinkwasser für die Versorgung zur Verfügung stand. Über eine Verteilerstation und eine Hauswasser Station konnte der Küchenbereich so versorgt werden das die Frauen da Kaffee kochen und Geschirrspülen konnten. Als ich nun da ankomme sitzt ein Mädel vor einem großen Kochtopf und füllt Wasserflaschen in diesen Topf. Und das unentwegt eine Flasche nach der anderen. die Pumpe saugte sich nun das Wasser aus diesem Topf um es in die Verteilung einzuspeisen. Als ich fragte was das soll dachte ich ich höre nicht richtig. Artur kam dazu und erzählte das heute der Katastrophenfall aufgehoben wurde, demzufolge muss das DRK seine Grundversorgung einstellen und die zur Verfügung gestellten Dinge abbauen und wieder einlagern. Also mussten die Mitarbeiter vom DRK sofort alles abbauen. Jetzt war kein Wasser mehr da für die Küche und die Versorgung für Altenburg nicht mehr gesichert. Es ist unglaublich was hier passiert und niemand trägt Verantwortung oder interessiert sich dafür wie was geregelt wird. Kein Behördenvertreter ist dafür erreichbar, keine Ansprechpartner – nichts einfach gar nichts ist irgendwie 2,5 Monate nach der Flut geregelt. Ich versprach mich sofort darum zu kümmern. Das hier ist jetzt viel wichtiger als meine Baustelle. Hier geht es gerade um die Grundversorgung eines ganzen Ortes. 98 % des Ortes ist zerstört. Wasser ist so gut wie in keinem Haus verfügbar. In wie weit das Wasser in der Haupttrasse unbelastet ist kann niemand sagen und und und.
Während die Helfer vom Baustoffzelt sich darum bemühten ein Standrohr für einen Hydranten zu besorgen ging ich auf die Suche nach einem Anschluss. Auch nicht so einfach bei diesem Schlamm und Dreck, der alles unsichtbar werden lässt. Nach 2 h Suche dann endlich was gefunden, zwar 150m weit weg aber wenigstens ein Zugang. Jetzt hieß es improvisieren und Material besorgen um morgen evtl. etwas zumindest provisorisch zu installieren. Ich fragte überall mal nach wo hier wer Zuständig ist, wie man Kontakt bekommt oder wo man jemanden findet der koordiniert bzw. weiß wo man sich hinwendet. Ohne Erfolg, und langsam verstehe ich warum sich in unserem Land alles in die falsche Richtung bewegt und negative Einflüsse so großen Zulauf haben. Jetzt ist der Punkt gekommen wo ich für mich beschließe “ Scheiß drauf, ich mach jetzt was ich für richtig und wichtig erachte und trage wenn es sein muss auch die Verantwortung dafür“. Und wenn ich es richtig sehe haben sehr viele Helfer ähnliche Erfahrungen gemacht. Einfach machen.
In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden und mein Werkzeug liegt auf der Baustelle rum wie ich sie zum Mittag verlassen habe, das hoffe ich zumindest. Nun wo ich da alles zusammenpacke und mit dem Licht vom Handy durch die Baustelle laufe wird auch wieder die Polizei auf mich aufmerksam. Später dann stehen sie am Hotel an meinem Auto und sehen mich auf dem Balkon, ab da grüßen wir uns freundlich. Ein sehr aufwühlender Tag neigt sich dem Ende. Gegenüber vor dem leeren Rathaus steht ein Duschcontainer wo warmes Wasser ist wenn ich heute Glück habe. Ich geh mich warm duschen und falle ins Bett.
06.10.21
Diese Nacht war kurz und unruhig , bedingt durch die Dinge die gestern so gelaufen sind. Viele Sachen verfolgen einen noch sehr lange und die Gedanken kreisen unweigerlich weiter. Ich setze mich erstmal auf die Terrasse und schreibe meine Gedanken auf um sie mit meinen Unterstützern zu teilen. Ich hatte versprochen das jeder der möchte Informationen mitlesen kann, um für sich selbst auch ein Gefühl dafür zu bekommen wo die Hilfe dann letztendlich ankommt. Hier nehme ich mir dann morgens oder abends noch die Zeit. Am Tage wird das nichts, dafür ist einfach keine Gelegenheit.
Heute werde ich erstmal versuchen die Wassersituation beim Versorgungszelt zu regeln. Ich besorge erstmal das Material was ich dafür benötige und dann werde ich später auf meiner Baustelle weiter machen. Vermutlich pendele ich hin und her.
Seine Arbeit nach Plan machen funktioniert hier nicht, du kannst dir was vornehmen aber musst immer damit rechnen das sich innerhalb von 5min alles ändert. So auch heute. Das bestellte Material ist nur teilweise geliefert worden und im Moment ist es nicht ganz einfach schnell was zu kriegen. Jetzt muss ich wirklich improvisieren. 150m Trinkwasserschlauch hab ich schon und nun versuche ich noch an Kupplungen und Übergängen zu den Geräteschläuchen zu kommen um dann erstmal einen kleinen Fortschritt habe. Ein Standrohr haben wir auch, allerdings noch nicht das Richtige. Von den Wasserversorger ist niemand erreichbar bzw. niemand weiß wer und wo man sich melden kann. Auch heute ist von der behördlichen Seite niemand zu erreichen bzw. lässt sich hier am Zelt sehen. Keiner von uns hier hat eine Ahnung wie man an Entscheidungsträger ran kommt. Ist hier alles anscheinend nicht so wichtig. Ich baue jetzt einfach dieses Standrohr auf, und mir ist bewusst das ich das nicht darf aber wir haben hier keine Alternative. Wasserflaschen können für ein ganzes Dorf nicht die Lösung sein.


Das wäre erstmal erledigt, zum Geschirrspülen und Händewaschen reicht es erstmal. später wenn das Material kommt dann bekomme ich den Rest vlt. doch noch hin. Nun fahre ich zur Baustelle und mach da mal weiter. Heute bin ich mal nicht der Erste dort, der Elektriker ist wieder da und bereitet was vor damit wir hier provisorisch schon mal eine kleine Stromverteilung für die Bauphase haben. Selbst aus den Schutzrohren der Kabel die noch in den Wänden liegen kommt Wasser wenn er die Kabel rauszieht.
Ich mache mit der Demontage weiter. Böse Überraschung bei der Abflussleitung. Der Schlamm hat sie im Keller zugesetzt und bis ins EG steht da das Wasser und der Schlamm drin. Keine Ahnung ob ich das nach 2,5 Monaten überhaupt noch frei bekomme. Erst einmal die letzten Leitungen aus den Bädern rausreißen und dann noch die Heizungsrohre im gesamten Haus, danach gehe ich in den Keller und kümmere mich dann erst um das Abwasserrohr.
Material kam heute nicht mehr, aber das Versprechen morgen früh liegt es im Hintereingang von meinem Kontaktmann.
07.10.21
Das Material ist gekommen, wie zugesagt. Das Wetter ist ungemütlich und darum bleibe ich erstmal noch bei der Baustelle. Ich werde im Keller anfangen die Heizungsrohre zu zerlegen und mich in Richtung Heizzentrale vorarbeiten. Meine Makita Flex ächzt schon gewaltig und meine Trennscheiben gehen aus. Ich brauche Nachschub und gehe zum Baustoffzelt. Was für ein Glück das die Jungs und Mädchen dort immer wieder Sachen organisieren können und uns Handwerker mit solchen Dingen retten. Ein Klasse Team dort, das macht Spaß wenn alles Hand in Hand geht. Die Zeit vergeht hier so schnell und ich muss schon wieder die Arbeit unterbrechen. Es ist trocken draußen und ich werde beim Versorgungszelt mit der Wasserleitung weiter machen.
Ich werde schon mit einem lauten “ Oh Klempner Stefan ist wieder da „, mit russischem Akzent von den Frauen, angekündigt. Das versüßt mir sofort den Tag. Sie wirbeln plötzlich alle um mich rum und bringen Kaffee und ein Stück Kuchen und schnattern fröhlich mit mir und über mich. Was dann später für noch mehr Lachen führt als sie merken das ich einige Brocken verstehe von dem was sie in ihrer Sprache reden. Zuerst baue ich jetzt einen kleinen Verteiler für einzelnen Abnahmestellen. Der soll dann an den Foodcontainer angebaut werden, so das ein zentraler Punkt bleibt für die Verteilung. Alles so geschafft wie ich geplant habe, jetzt kann Wasser angestellt werden und dann ist hoffentlich alles dicht. 30 Sekunden später ein riesen Knall und Schreck. Wasser aus und auf die Suche gehen was eigentlich passiert ist. Eine von den provisorischen Anschlussleitungen für die Spülmaschine (Gartenschlauch) ist durch den hohen Druck explodiert. Mir wurde vorher gesagt das evtl. zu wenig Druck in der Hauptleitung ist, aber das hat sich jetzt ja erledigt. Zum Glück habe ich noch 8m übrig vom neuen Trinkwasserschlauch. Geschafft. Die Freude bei den Mädels ist groß und ich bin für einen klitze kleinen Moment ihr Held.



Nach diesem Erfolg kann ich mich nun erstmal wieder meiner eigentlichen Aufgabe widmen. Die Stahlrohre verlangen mir doch einiges ab und meine Tigersäge hat das zeitliche gesegnet. Die Verteilung der Leitungen im Keller sind sehr gut und ordentlich gemacht aber durch die Dimension und der Enge ist es recht schwer das zu demontieren ohne viel Schaden anzurichten. Irgendwann gegen 23 Uhr rum endet wie gewohnt auch dieser Tag und Überraschung, die Dusche ist wieder kalt. Mist.
08.10.21 Ein besonderer Tag
Heute bin ich eingeladen nach Sinzig, einem Ort im Ahrtal der auch schlimm getroffen wurde von der Flut. Ich bin im Vorfeld meiner Reise mit einer Lehrerin in Kontakt gekommen weil mir zu Hause eine Spenderin etwas für die Schulklasse mitgeben wollte. Sie hat mitbekommen das ich diesen Einsatz plane und hat mich daraufhin kontaktiert. Während wir die Spendenübergabe versuchten zu organisieren kam der Wunsch auf das wir unser Treffen. Die Schüler haben den Wunsch einen Helfer mal live kennenzulernen. Sie sehen viele arbeiten aber kommen kaum in direkten Kontakt zu diesen. Also luden sie mich zum Frühstück in ihre Schule ein. Ich fahre in Arbeitssachen hin (natürlich in sauberen) damit die Kinder mich als den sehen der ich hier auch bin. Sie stehen versammelt vor der Schule und als ich an ihnen vorbei fahre sehe ich in ihren Gesichtern das sie genau wissen das ich es bin. Sie bringen mich nach der ersten Begrüßung in ihren Klassenraum. Ein Raum der in der Turnhalle der Schule eingerichtet wurde. Die ursprüngliche Schule dieser Klasse ist den Fluten zum Opfer gefallen und so mussten sie in einen anderen Ort umziehen. Hier werden sie nun voraussichtlich die kommenden Schuljahre bleiben, es handelt sich um eine 6. Klasse. Im Klassenraum haben die Kinder liebevoll ein Buffet aufgebaut und jeder hat etwas mitgebracht. Wir sitzen in einem Kreis und ich stelle mich erst einmal vor. Die Schüler stellen Fragen und ich antworte , zB. wie kommt es das du uns hier hilfst oder wie weit ist dein zu Hause weg von hier , hast du Tiere und Kinder usw. , dann erzählen sie mir von sich und ihren Erlebnissen. Insbesondere aus der Flutnacht und was unmittelbar danach geschehen ist. Kaum ein Kind ist nicht betroffen , alle haben jemanden in der Familie der viel bzw. alles verloren hat. Und was sie zu sehen bekommen haben ist oftmals nichts was Kinderaugen sehen sollten. Natürlich waren sie jetzt auch gespannt darauf zu sehen was ich denn für sie mitgebracht habe. Den gesamten Vormittag war ich nun hier in der Schule und es verging die Zeit wie im Fluge. Ich hatte noch ein kleines Geschenk für die Klasse im Gepäck was ich ihnen zum Abschied gab. Einen Klempnerhasen als neues Klassen-Maskotchen. Sie tauften ihn Stefan und da hatte ich kein Mitspracherecht.
Für mich hatten die Schüler auch noch einen Beutel zusammengestellt, mit kleinen Geschenken, und jeder hat unterschrieben damit ich ein Andenken mit nach Hause nehmen kann. Bevor ich wieder fuhr musste ich versprechen das ich sie wieder besuchen komme wenn mich mein Weg wieder ins Ahrtal führt. Das habe ich mir fest vorgenommen.


Am frühen Nachmittag bin ich nun wieder in Altenburg und bevor es auf der Baustelle weiter geht will ich noch einmal den Versuch starten einen Behördenmitarbeiter zu erreichen. Ich möchte das was ich da gebaut habe, für die Notversorgung, zumindest abgesegnet wissen zumal ich dies ja in gewisser Weise illegal gemacht habe. Ich kann selbst keine Hygieneprüfung oder Trinkwasserprüfung in Auftrag geben da ich ja noch nicht einmal irgendwelche Zuständigkeiten kenne. Alles was ich machen kann ist ein Zettel schreiben mit dem Hinweis kein Trinkwasser. Alle die ich Frage lächeln mich mitleidig an und sagen es ist Freitag , was denkst du wo die sind? Auch heute wieder Pech gehabt. So läuft es hier Tag für Tag und dann muss man sich nicht wundern wenn die Leute resignieren. Natürlich ist man sich der Tatsache bewusst das viele Mitarbeiter der Behörde hier selbst schwer betroffen sind und nicht so funktionieren können aber trotzdem muss es doch möglich sein Mitarbeiter die nicht betroffen sind abzustellen für solche Dinge.
Für heute ziehe ich mich auf meine Baustelle zurück und arbeite dort weiter. Nun lerne ich ja auch erstmal die Eigentümer kennen. Bisher standen wir ja nur telefonisch in Kontakt. Sie sind schon schwer am schuften als ich ankomme. Aber die Begrüßung ist herzlich und völlig locker. Ich spüre sofort die Dankbarkeit und wir besprechen erstmal was der grobe Fahrplan hier ist. Danach mach ich mit dem Abriss der Leitungen weiter und fange mit der Kesseldemontage an. Böse Überraschung beim öffnen der Brennerkammer, hier schwappt mir tatsächlich noch die Ahr entgegen. Am Ende schleppe ich ganze 18 Eimer Schlamm aus dem Heizungsraum. Die Demontage wird mich noch Tage beschäftigen . Es ist sehr eng, dreckig und schwer. Die Isolierung ist voll mit Schlamm und nass so das ich nur stückchenweise die Kessel freilegen kann. Danach geht nur noch rohe Gewalt. Heute muss ich gegen 20 Uhr aufgeben , ich bin mit der Kraft am Ende und fix und fertig. Ich fahre zum Versorgungszelt und Artur fragt mich was ich essen möchte. Ich sag aus Spaß , Fleisch. Antwort “ Kein Problem mein Freund , mach ich dir, wieviel?“ Hier bin ich Richtig. Er macht den Kühlschrank auf und sagte mir, das heute Nachmittag eine Spende angekommen ist für uns. Das tat so gut, sag ich euch. Satt und müde komme ich in der Unterkunft an und – Freude – das Wasser im Duschcontainer ist warm.



09.10.21
Es ist kurz nach 03 Uhr als ich wach werde, Die Geschichten von den Kindern und von 2 betroffenen Familien , die ich gestern im Laufe des Tages erzählt bekommen habe lassen mich nicht mehr zur Ruhe kommen. Ich kann mir nicht vorstellen wie es sich anfühlen muss über 10 Stunden durchnässt und in Todesangst auf einem Dach zu sitzen und zu hören wie es unter einem knirscht und kracht, Gastanks zischend ans Haus krachen und man Angst hat es könnte alles explodieren. Keine Möglichkeit zu entkommen wenn`s passiert und immer wieder dringen aus der Dunkelheit verzweifelte Hilfeschreie von Menschen die mitgerissen werden. Was geht einem in dieser Situation durch den Kopf oder wie behält man da die Nerven um am Leben zu bleiben. Alle diese Gedanken lassen mich nun nicht zur Ruhe kommen. Ich stehe auf , mache mir einen Pott Kaffee und setze mich im Regen auf die Terrasse. Hier nutze ich die Gelegenheit und schreibe meine Empfindungen auf um sie in der Fülle der Informationen, die auf mich täglich einprasseln, nicht zu verlieren. Da es hier egal ist wann ich mit der Arbeit beginne mache ich mich halb 5 auf den Weg zur Baustelle. Ist ja schließlich Wochenende. Ich würde heute dort gerne fertig werden und einen neuen Auftrag beginnen. Mal sehen ob es klappt. Gegen 9 Uhr werden die Besitzer auch wieder hier auftauchen und weiter machen.
Es ist Frühstückszeit und mein Baustellenkaffee ist alle, also fahre ich mal fix zum Versorgungszelt. Auf dem Weg dorthin fahre ich am Versorgungscamp (Baustoffzelt) vorbei und werde angehalten. Sie haben was für mich organisiert und außerdem gibt es jeden Tag neue Sachen die wir bequatschen und abstimmen müssen. Im Hintergrund läuft gerade eine Planung mit einem neuen großen Versorgungszelt was für den Winter gedacht ist. Und auch dafür soll später ein Wasser und Abwasseranschluß gemacht werden. Auch da geht es wieder hin und her , erst heißt es das die Kosten übernommen werden und die Planung läuft an – dann kommt die Info nein die Kosten werden nicht übernommen. Das ist immer wieder ein Rückschlag für die Helfer, es wird viel Energie dafür verwendet etwas zu organisieren und dann wird man hängen gelassen. Dazu kommt in den nächsten Tagen noch mehr. Jetzt ist erstmal die Baustelle für mich wichtig.
Ich habe mich durch den Heizungsraum gekämpft und bin gut voran gekommen. Jetzt brauche ich Hilfe und da kommen plötzlich zwei Schrottsammler und fragen ob sie was mitnehmen dürfen. Prima gelaufen, die Kessel hätte ich alleine niemals raus gewuchtet bekommen und die riesen Gußradiatoren auch nicht. Gemeinsam geht das ganz gut. Bisschen Geld müssen sie dann aber trotzdem da lassen , das geht dann direkt in die Altenburger Flutspendenkasse. Jetzt bleiben für heute noch einige Kleinigkeiten und das wovor ich mich die ganze Zeit noch gedrückt habe, das Abwasserrohr. Am späten Nachmittag verabschieden sich die Besitzer dann erstmal von mir und bedanken sich noch mal sehr herzlich. Sie wissen das ich weiter ziehe aber wenn etwas ist können sie mich anrufen, ich bin ja noch 2 Wochen hier und beim Mittagessen sehen wir uns ganz bestimmt auch noch. Nun versuche ich erstmal den Abfluss zu spülen. Dafür habe ich einen Schlauchanschluss an die Hauptleitung gebastelt in der Hoffnung das da Wasser kommt. In der Not hat man da mit aller Gewalt die Ventile zu gemacht und das rächt sich jetzt. Bombenfest sitzen die und drohen abzubrechen. Ich bekomme es soweit hin das ein wenig Wasser läuft und hoffe das ich mit etwas Glück die Leitung freigestochert bekomme ohne sie abbauen zu müssen. Sie ist unten im Keller noch relativ neu darum will ich sie erhalten. Nach 2 Stunden macht es ein Sauggeräusch und man hört richtig wie der Propfen sich durch das Rohr schiebt. Ich hab es geschafft und draußen ist es wieder stockduster. Wochenende im Niemannsland.



Ich beschließe das ich morgen früh noch mal her komme und aufräume. Meine Kabel und das Werkzeug suche ich jetzt im Dunkeln nicht weiter zusammen. Ich packe nur die Maschinen ins Auto und fahre was Essen bevor ich mich bettfertig mache. Nun wird mir erst richtig bewusst das ich schon eine Woche hier im Ahrtal helfe. Eine sehr intensive Woche.